21.03.2024 –, Hörsaal 2 (Ditze H016)
Historische thematische Karten auf Basis der gleichen Stadtgrundkarte bilden eine Multi-Layer-Geodatenbank auf Papier. Wir zeigen, wie wir diese Kartensätze in QGIS als Thick/Deep Map erfassen und für die denkmalwissenschaftliche Forschung aufbereiten und nutzen.
Im Zweiten Weltkrieg haben die Stadtplanungsämter auf Stadtplänen die Schäden von Luftangriffen kartiert, um Aufräumarbeiten, nutzbaren Wohnraum, aber auch zukünftigen Neubau zu planen. Für die Stadt Nürnberg liegen uns eine Reihe von Schadensplänen und andere thematische Karten auf Grundlage der gleichen Stadtgrundkarte vor, die unter anderem die Zunahme der Schäden nach aufeinanderfolgenden Luftschlägen dokumentieren.
Im Rahmen des UrbanMetaMapping-Projekts¹ zu Kriegsschadenskartierungen des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit am Kompetenzzentrum für Denkmalwissenschaften und –technologien (KDWT)² kartieren wir die Altstadt Nürnbergs hausgenau in QGIS und erstellen durch Überlagerung und Annotierung der unterschiedlichen thematischen (Schadens-)Karten eine Thick Map / Deep Map als Arbeitsgrundlage für weitere Forschungsfragen.
Die Überführung der Papierkarten in GIS bietet uns zahlreiche Vorteile: GIS bietet einfache Möglichkeiten für Bemaßung/Quantifizierung, z.B. um das Ausmaß von Zerstörungen quantitativ zu erfassen. Die Überlagerung der unterschiedlichen thematischen und Schadens-Karten erlaubt die Darstellung zeitlicher Abläufe wie auch die Abfrage von Querbeziehungen zur Verknüpfung unterschiedlicher Kartenthematiken. Damit lassen sich qualitative Aussagen sowohl über den Inhalt der Karten als auch die Kartierung selbst treffen.
Unser Vortrag soll einen Einblick in die Nutzung von QGIS für Fragestellungen in der Denkmalwissenschaft bieten. So haben wir durch die Analyse in QGIS in einer Abfolge von Schadenskarten Ungenauigkeiten entdeckt: zuvor kartierte Schäden tauchen in einer späteren Karte nicht auf, was Fragen zur Kartierungsqualität aufwirft. Die Verknüpfung unterschiedlicher thematischer Karten ermöglicht die Überprüfung verschiedener Hypothesen aus dem Bereich Denkmaltheorie: Welche zuvor als historisch wertvoll verzeichneten Gebäude wurden beispielsweise mit welcher Schadenskategorie belegt und wurden diese Gebäude möglicherweise bevorzugt wiederaufgebaut? Wurden Gebäude als total zerstört klassifiziert, wenn sie möglichen Stadtneuplanungen im Weg standen?
Die Datenerfassung stellt uns aber auch vor neue Herausforderungen: So wurden auf manchen Karten Gebäudeteile (z.B. Fassaden) getrennt als (un-)zerstört markiert. Wie sollen wir diese erfassen? Ist eine Erhöhung der Granularität auf Gebäudeteile bei vertretbarem Aufwand sinnvoll? Wie gehen wir mit zerstörten und wieder aufgebauten Gebäuden um, vor allem wenn das neue Gebäude das alte nicht exakt ersetzt? Wie ordnen wir hier den zeitlichen Ablauf zu, welche Möglichkeiten bietet QGIS für die Abbildung dieser zeitlichen Verläufe?
Die Erfassung der Pläne als GIS-Karte hat zudem Vorteile für die Publikation: Die Copyright-Situation dieser alten Pläne ist sehr unübersichtlich, eine Veröffentlichung häufig nicht möglich. Die GIS-Daten können wir frei nutzen und sowohl als Datensatz als auch als Bild verbreiten und zur Verfügung stellen.
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Anastasia Bauch studierte, nach einem Freiwilligen Jahr in der Bodendenkmalpflege, an der Bauhaus Universität Weimar Architektur und schloss an diesen Bachelor das Masterstudium Denkmalpflege in Bamberg an. Nach der Masterarbeit 2021 über ein internationales Kirchenbauprojekt in der deutschen Nachkriegszeit begann sie den Master Computing in the Humanities ebenfalls in Bamberg. Zwischendurch arbeitete sie in der Bauforschung und im Gebäudeaufmaß und spezialisiert sich im Bereich Geoinformationssysteme und Digitalisierung in der Denkmalpflege.
Dr. Klaus Stein forscht an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg in den Bereichen Raumkognition/Geoinformatik (u.a. OSM) sowie Social Network Analysis. Nach einem Studium der Informatik promovierte er im Rahmen des interdisziplinären DFG-Schwerpunktprogramms „Raumkognition“.
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit begleitet ihn bis heute. Insbesondere interessiert ihn, die Digitalisierung der Forschung in den Sozial- und Geisteswissenschaften aktiv begleiten zu können, unter anderem durch die Arbeit mit Forschenden wie Studierenden aus unterschiedlichen Disziplinen und in interdisziplinären Projekten.