Was wäre, wenn wir Algorithmen demokratisieren? Kollaborative Infrastrukturen für UDZ
26.03.2025 , HS4 (S2)

Das Paper zeigt, wie neue kollaborative Infrastrukturen für Urbane Digitale Zwillinge eine bessere Teilhabe und Zugang zur Simulationsentwicklung schaffen können. Am Beispiel von drei Open-Source-Tools aus dem „Connected Urban Twins“-Projekt wird demonstriert, wie Szenarien für Stadtentwicklungsprozesse gemeinsam entwickelt, analysiert und zugänglich gemacht werden können. Ziel ist eine nachhaltigere, inklusivere Planung, die durch vielfältige Perspektiven blinde Flecken in Modellen reduziert.


Was wäre, wenn wir Algorithmen demokratisieren? Neue kollaborative Infrastrukturen für Modelle und Simulationen in digitalen Stadtzwillingen

Als Teil der Antwort auf die vielfältigen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts widmen sich immer mehr Städte und Kommunen der Entwicklung und dem Einsatz von Urbanen Digitalen Zwillingen. Neben einer großen Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten im Bereich der Visualisierung und Informationsbereitstellung steht vor allem die Erstellung von "Was wäre, wenn?"-Szenarien im Vordergrund. Die Auswirkungen von Planungen sollen, so das Versprechen, durch unterschiedlichste Analyse- und Simulationsalgorithmen bereits in einem frühen Stadium berechnet, analysiert und bewertet werden. Damit sollen nicht nur Effizienzgewinne ermöglicht, sondern auch die inhaltliche Qualität der Planung im Sinne einer nachhaltigen und integrierten Stadtentwicklung erhöht werden. Gleichzeitig existiert neben einer Bandbreite an proprietären Lösungen kaum eine offene und öffentliche Infrastruktur, die die systematische Erstellung, Bereitstellung und Nutzung von Simulationsmodellen und Algorithmen unterstützt.

Dieses Paper präsentiert drei miteinander verschränkte FOSS-Tools, die in den vergangenen zwei Jahren im City Science Lab der HafenCity Universität Hamburg im Rahmen des "Connected Urban Twins" Projektes entwickelt, getestet und angewandt wurden. Dazu zählt eine Urban Model Platform zum Bereitstellen und Ausführen von dezentralen Algorithmen (https://github.com/citysciencelab/urban-model-platform), ein Scenario Explorer Tool zur Erstellung, Verwaltung und Teilen von urbanen Szenarien zwischen diversen Stakeholdern (https://github.com/citysciencelab/materportal-scenario-explorer) und ein Urban Model Builder zur kollaborativen Neu- und Weiterentwicklung von Simulationsmodellen basierend auf urbanen Daten (https://github.com/citysciencelab/urban-model-builder). Alle Tools sind über offene Standards wie die OGC API Processes verknüpft, bauen auf anderen quelloffenen Projekte wie dem Masterportal oder der Open-Source Simulation Library des InsightMaker auf und ermöglichen die offene und kollaborative Erstellung von Simulationsmodellen sowie deren Nutzung in der Planungspraxis.

Kern der Tools ist die praktische Umsetzung und Überführung des Multi-modeling Ansatzes in die Stadtentwicklung: Nur durch eine vielfältige und offene digitale Repräsentation von städtischen Prozessen und Phänomenen durch eine Bandbreite an Expert:innen, zivilgesellschaftlichen Akteuren und interessierten Bürgern können unterschiedliche blinde Flecken von Simulationsmodellen erkannt und abgeschwächt werden. Dafür ist sowohl eine offene Umgebung zur gemeinsamen Entwicklung, Diskussion der enthaltenen Annahmen und Bereitstellung von Simulationsmodellen notwendig, als auch eine offene Plattform zum Teilen unterschiedlichster Algorithmen. Nicht zuletzt gilt es, das Teilen und Organisieren der resultierenden Szenarien zwischen unterschiedlichsten Stakeholdern zu ermöglichen. Neben der Funktionsweise der Tools werden erste Ergebnisse von diversen User-Testings sowie mögliche Weiterentwicklungen und Einsatzmöglichkeiten der Tools dargelegt.

Rico Herzog ist der Lead für Modellierung, Simulation, KI und maschinelles Lernen in Deutschlands größtem Smart-City-Projekt „Connected Urban Twins“ und wissenschaftlicher Mitarbeiter am City Science Lab der HafenCity Universität Hamburg, einer Kooperation mit dem MIT Media Lab. Mit einem Hintergrund in der Raumplanung und in der computergestützten Modellierung und Simulation komplexer sozio-technischer Systeme, dreht sich seine Forschung um digitale urbane Zwillinge und deren Beitrag zu einer nachhaltigen urbanen Transformation. Er erforscht neue Ansätze zur Erfassung urbaner Komplexität im Digitalen und konzentriert sich dabei auf das Zusammenwirken von digitalen Modellen und Simulationen unterschiedlicher Art. Weitere akademische Interessen liegen in öffentlichen Wertkonflikten in der Stadtplanung und in Serious Gaming als Simulationsmethode.