Visualisierung von historischen Schiffsrouten mit unscharfer Datengrundlage
26.03.2025 , HS3 (S1)

Im Forschungsverbund DiViAS (www.divias.de) werden Quellen wie Logbücher und Journale aus dem 18./19. Jh. ausgewertet und analysiert. Im Fokus dieses Vortrags stehen dabei verschiedene Möglichkeiten der Visualisierung von Schiffsrouten mit unscharfer Datengrundlage, welche mit QGIS und Mapbox erstellt werden. Grundlage für die kartographische Darstellung ist eine KI-gestützte Extraktion von unscharfen Orts- und Zeitangaben aus diesen Quellen und deren Modellierung in einer PostgreSQL-Datenbank.


Im Forschungsverbund DiViAS werden bislang kaum verknüpfte wissenschaftliche Methoden und Praktiken in der Digitalisierung, Forschung und Repräsentation von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten und deren Bewegungen in einem zukunftsweisenden transdisziplinären Forschungsprofil systematisch zusammengeführt. Den Ausgangspunkt bilden die großen Sammlungen und archivalischen Überlieferungen des Landesmuseums Natur und Mensch Oldenburg und des Akademie-Projekts Prize Papers, deren Entstehungskontexte eng mit europäischer Expansion und Kolonialismus verbunden sind. Bei den zu visualisierenden Schiffsrouten handelt es sich zum einen um deutsche Strafexpeditionen in der Bismarcksee im heutigen Papua-Neuguinea aus dem 19. Jahrhundert und zum anderen um Handels- und Kaperfahrten europäischer Seemächte aus dem 18. Jahrhundert. Die aufgezeichneten Logbücher, Berichte und Journale werden transkribiert und mithilfe von Sprachmodellen und Verfahren des Natural Language Processing, wie der Named Entity Recognition, nach Orts- und Zeitangaben durchsucht. Zusätzlich werden räumliche und zeitliche Präpositionen wie „nach“ oder „bei“ extrahiert.

Eine große Herausforderung stellt die inhärente Unschärfe dar, die sich sowohl auf Geometrien (z. B. Schiffsrouten, Orte) als auch auf Zeitangaben bezieht. Ursächlich für die Unschärfe können beispielsweise Messfehler bei der Positionsbestimmung, ungenaue Angaben oder Datenlücken sein. Die Unschärfe in Standortbeschreibungen kann, abhängig von der textlichen Beschreibung, vielfältige Ausprägungen annehmen. Daher werden zunächst sogenannte Möglichkeitsräume definiert, die die gesamte räumliche Ausdehnung der entsprechend einer Ortsbeschreibung möglichen Standorte umfassen. Zur visuellen Kommunikation von Unschärfe werden anschließend mittels QGIS Ansätze der kartographischen Symbolisierung unter Nutzung visueller Variablen (z. B. Blurring, Transparenz) herangezogen, aber auch Möglichkeiten dynamischer Effekte wie Animationen exploriert.

Um den unterschiedlichen Ansprüchen verschiedener Nutzergruppen bei der Erkundung der visualisierten Informationen gerecht zu werden, werden unterschiedliche kartographische Aufbereitungen der Inhalte auf OSM-Basis aber auch unter Verwendung einer frei zugänglichen historischen Kartenbasis genutzt. So ergeben sich z. B. durch die Anwendung narrativer Techniken beim kartenbasierten Storymapping mit Mapbox unter Nutzung der Schnittstellen zum raumzeitlichen Datenmanagement mit PostgreSQL/PostGIS neue Möglichkeiten der Vermittlung von historischen Zusammenhängen. Im Rahmen des Vortrags werden verschiedene Arten der kartographischen Repräsentation von raumzeitlicher Unschärfe gezeigt und deren Anwendbarkeit in verschiedenen Nutzungskontexten diskutiert.

Stefan Fuest ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kartographie und Geoinformatik (IKG) an der Leibniz Universität Hannover, Deutschland. Nach einem Bachelor- und Masterstudium der Geoinformatik in Münster hat er im Jahr 2024 am IKG seine Promotion im Bereich der visuellen Kommunikation von Routeninformationen mittels kartographischer Symbolisierung abgeschlossen. Seine Forschungsinteressen liegen in der Kartensymbolisierung, hier insbesondere die Visualisierung von raumzeitlicher Unschärfe, sowie in kognitiven Aspekten bei der kartenbasierten Visualisierung.

Bis 1998 Studium des Vermessungswesens an der TU Braunschweig und der Universität Hannover mit der Vertiefungsrichtung "Kartographie" und der Diplomarbeit im Fachgebiet "Photogrammetrie"; gefolgt vom Referendariat in Niedersachsen mit zweitem Staatsexamen im Bereich "Vermessungs- und Liegenschaftswesen" im Jahr 2000.

Anschließend Mitarbeit in verschiedenden Forschungsprojekten in der Abteilung Geoinformation der Jade Hochschule in Oldenburg. Parallel dazu im Jahr 2005 Gründung eines Ingenieurbüros mit den thematischen Schwerpunkten "Touristische Informationssysteme" und "Erstellung von Freizeitkarten und Reiseführern" unter der Nutzung von Freier und Open Source Software. Bis heute touristische Projekte vornehmlich in Deutschland und Island.

Seit 2006 externer Lehrbeauftragter und ab 2015 für acht Jahre Lehrkraft für besondere Aufgaben für "Kartographie und Geoinformatik" am Institut für Angewandte Photogrammetrie und Geoinformatik (IAPG) der Jade Hochschule. Daneben fünf Jahre lang Lehrkraft im Fach "Datenbanken" für Auszubildende der "Vermessungstechnik" an einer Berufsschule in Oldenburg. Bis heute nebenher Durchführung von QGIS-Schulungen für diverse Zielgruppen.

Zur Zeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am IAPG tätig. Ein Forschungsschwerpunkt ist die Modellierung von raumzeitlicher Unschärfe in PostgreSQL/PostGIS-Datenbanken.

Jennifer Tadge studierte Ethnologie und Arabistik an der Universität Leipzig sowie Museologie an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig. Seit 2014 forscht sie in der ethnologischen Sammlung des Landesmuseums Natur und Mensch Oldenburg. Dort arbeitete sie u.a. zu den Provenienzen menschlicher Überreste außereuropäischer Herkunft und zu einem Objekt aus dem Königreich Benin. Derzeit beendet sie ihr Promotionsprojekt zum Thema „Koloniale Sammelpraktiken in militärischen Kontexten“, das von Prof. Dr. Dagmar Freist am Institut für Geschichte der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg betreut wird. In ihrem aktuellen Projekt widmet sie sich der Erforschung der Erwerbungsumstände von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten aus Ozeanien im Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg im Rahmen des Verbundprojekts Digitalisierung, Visualisierung und Analyse von Sammlungsgut (DiViAS).

Maximilian Herbers ist Geoinformatiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsverbund DiViAS an der Jade Hochschule. Seine Forschungsinteressen liegen in den Bereichen Geoinformatik, Spatial Humanities und Geospatial Data Science, insbesondere in Techniken der Verarbeitung natürlicher Sprache, der Modellierung historischer Geodaten sowie deren Analyse und Anwendung in raum-zeitlichen Kontexten.

Rieke Marie Kaiser ist Historikerin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsverbund DiViAS. Ihr Forschungsinteresse liegt in der Frühen Neuzeit im Bereich der maritimen Geschichte und Digital Humanities.