26.03.2025 –, HS1 (Aula)
Die Governance von OSS im öffentlichen Sektor variiert stark: Während einige Projekte offen und kollaborativ sind, bleiben andere hierarchisch strukturiert. Dieser Beitrag untersucht, warum Behörden sich für oder gegen die Öffnung ihrer Softwareprojekte entscheiden. Die Untersuchung gibt Einblick in ausgewählte OSS-Projekte der öffentlichen Verwaltung und liefert einen Erklärungsansatz, warum Faktoren wie Unsicherheit, Innovationsdruck und normative Erwartungen die Entscheidung beeinflussen.
Problemaufriss: Die Implementierungspartnerschaft des Masterportals, die bereits durch weitere verwaltungsnahe Projekte adaptiert wurde, gilt als Erfolgsmodell. Die Governance-Landschaft von Open-Source-Software (OSS) bleibt im öffentlichen Sektor allerdings weiterhin recht heterogen. Neben größeren Entwicklungsgemeinschaften, die kollaborativ die strategische und technische Weiterentwicklung des Projektes vorantreiben, bleiben andere Projekte faktisch hierarchisch mit keinen oder nur geringen Beteiligungsmöglichkeiten. Diese Arbeit zeichnet einen Erklärungsansatz, warum und inwieweit sich Behörden dafür entscheiden, OSS-Projekte in Richtung eines potenziellen Netzwerks zu öffnen beziehungsweise einem solchen beizutreten. Hierfür wurde im Rahmen einer multiplen Fallstudie neben dem Masterportal auch die Steuerung zwei weiterer verwaltungseigener OSS-Projekte untersucht.
Theoretischer Hintergrund: Eine gemeinschaftliche Governance ermöglicht es Projektverantwortlichen, ein Softwareprodukt selbst herzustellen und gleichzeitig bei geringer Anreiz- und Kontrollintensität durch externe Beteiligte innerhalb der Projektgrenzen Innovationen zu akquirieren. Die Koordination solcher Projekte kostet allerdings Zeit und Ressourcen. Während in der Organisationsforschung der Transaktionskostenansatz (TKA) bislang weitreichend erklärt, wann sich Organisationen für Make (Eigenfertigung) oder Buy (Auslagerung) entscheiden, wurde das Erklärungsangebot auf offene Entwicklungsgemeinschaften bisher eher theoretisch und empirisch nur unzureichend angewandt. Ob es sich lohnt, das eigene Projekt zu öffnen, hängt im Sinne des TKA von Transaktionskosten ab, wie etwa Informations- und Suchkosten, Personalkosten oder Kosten für das Ausräumen rechtlicher Unsicherheiten. In der Softwareentwicklung können solche Kosten zum Beispiel aufgrund hochgradig spezifischer Software ausgelöst werden. Um ein breites, theoriegeleitetes Erklärungsangebot zu schaffen, werden darüber hinaus auch mögliche Einflussfaktoren aus der Ressourcenabhängigkeitstheorie und dem institutionellen Isomorphismus hinzugezogen.
Datenerhebung: Methodischer Zugang bietet ein komparatives Fallstudiendesign, das die Steuerungsmodelle und ihre Einflussfaktoren innerhalb der ausgewählten Projekte untersucht. Zunächst wurden die Governance-Modi mittels qualitativer Inhaltsanalyse von Projektdokumenten analysiert und anschließend in semi-strukturierten Interviews mit Projektverantwortlichen und -beteiligten vertiefend erhoben. Die Interviews waren im weiteren Verlauf auch Ausgangspunkt für eine qualitative Erhebung der unabhängigen Variablen. Darüber hinaus gewährte eine Befragung unter den Mitgliedern der Implementierungspartnerschaft des Masterportals (n = 38) spannende quantitative Einblicke, die auch die Prüfung moderierender Variablen wie der Lokalität oder der Verwaltungsebene des beteiligten Mitglieds ermöglichte.
Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass transaktionsspezifische Unsicherheiten über Nachnutzungspotenziale oder Überkomplexität der Software die Entscheidung in Richtung des OSS-Communityaufbaus hemmen. Gleichzeitig fördern hoher Innovationsdruck und normative Erwartungen eine stärkere Öffnung von Projekten. Die Studie liefert wertvolle Erkenntnisse für das Verständnis verwaltungseigener OSS-Strategien, zeigt aber auch für Projektverantwortliche die Bedeutung von Clustereffekten rund um Lead User auf. Die Ergebnisse leisten einen Beitrag, um das Verhalten von Behörden in OSS-Projekten zu erklären und darauf reagieren zu können.
Christian Weidner ist Wirtschaftsinformatiker und arbeitet am Kompetenzzentrum Öffentliche IT (Fraunhofer-Institut FOKUS) in Berlin. Er forscht zu Verwaltungsinnovationen sowie Open-Source-Governance. Im Rahmen seiner Masterarbeit an der Universität Potsdam beschäftigte er sich aus organisationstheoretischer Sicht mit der Frage, warum und inwieweit sich öffentliche Einrichtungen für eine möglichst kollaborative bzw. offene Steuerung von Softwareentwicklungsprojekten entscheiden.
LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/c-weidner/
ResearchGate: https://www.researchgate.net/profile/Christian-Weidner-4
ORCID: https://orcid.org/0009-0009-7798-008X