Geospatial Narratives - kritische Lesbarkeit von Satellitenbildern
26.03.2026 , HS3 (ZHG 009)

Wie können Satellitendaten als narratives und analytisches Medium im Journalismus kontextualisiert, überprüfbar und zitierfähig gemacht werden? Der Vortrag stellt die Plattform Geospatial Narratives vor, die die oft fehlenden Metadaten von Satellitenbildern in den Fokus rückt und sich als offenes, kuratorisches sowie methodisches Werkzeug zur Sammlung, Kontextualisierung und medienkritischen Einordnung versteht.


Satellitendaten haben sich zu einer zentralen visuellen Sprache des Journalismus entwickelt, etwa in der Berichterstattung über Konflikte, Naturkatastrophen oder Klimaveränderungen. Häufig werden sie dabei jedoch ohne ausreichende Kontextinformationen (Metadaten) publiziert, wodurch sie letztlich nur schwer einzuordnen und überprüfbar sind – Stichwort geografische Deepfakes. Ohne diesen Kontext reduziert sich ihre Funktion auf die visuelle, oftmals fotografische Darstellung und verkennt ihren Ursprung in komplexen Datenstrukturen ebenso wie die politischen Bedingungen ihrer Entstehung. Wie Architekturprofessorin Laura Kurgan an der Columbia GSAPP bereits 2013 in Close Up at a Distance formulierte: „For every image, we should be able to inquire about its technology, its location data, its ownership, its legibility, and its source.“ | Kurgan, Laura. “Close up at a distance: mapping, technology, and politics.” Zone Books, 2013

Vor diesem Hintergrund untersucht der Vortrag, wie sich eine Satellite Literacy entwickeln lässt, die journalistische Praxis, visuelle Kommunikation und kritische Öffentlichkeit gleichermaßen betrifft. Im Zentrum steht die Plattform Geospatial Narratives, ein kuratorisches und methodisches Werkzeug zur Sammlung, Kontextualisierung und vergleichenden Analyse von Satellitendaten als narrative und kommunikative Elemente.
Die Plattform macht den narrativen, technologischen und kritischen Kontext von Satellitendaten offen zugänglich und rückt sowohl die technische Dimension ihrer Darstellung als Bilder und Visualisierungen als auch deren Bedeutung für Medienkompetenz und kritische Lesbarkeit in den Vordergrund. Aspekte wie Provider, Plattform, Sensor, Auflösung und Visualisierung kommerzieller sowie öffentlicher Systeme werden systematisch erfasst, filterbar aufbereitet und mit ihrem journalistischen Ursprung bzw. ihrer Anwendung in Beziehung gesetzt. Dabei wird nicht nur vorhandene Metainformation extrahiert, sondern verbleibende Lücken basierend auf interpretativer Lesbarkeit ergänzt, sodass die Daten in ihrer operativen Funktion als komplexe Produkte sichtbar werden.

So entsteht ein paradoxer, aber produktiver Begriff von Offenheit: Offenheit als Methode der Lesbarmachung, nicht als Bedingung der Lizenz. Während quelloffene Software und offene Daten die digitale Souveränität im wissenschaftlichen Kontext stärken, überträgt Geospatial Narratives dieses Prinzip auf die Sphäre der Medien – als kuratorische Infrastruktur, die Informationen über proprietäre und offene Daten gleichermaßen öffentlich, filterbar und zitierfähig macht.
Im theoretischen Hintergrund versteht das Projekt Metadaten im erweiterten Sinn: nicht nur als technische Parameter, sondern als kulturelle Operatoren, die Kontext schaffen, Verbindungen herstellen und Bedeutung stiften. Die Plattform selbst fungiert dabei als Metadatum – sie ordnet, vernetzt und erzählt, während sie zugleich Teil des Datenökosystems bleibt, das sie beobachtet.

Damit wird die Frage nach Offenheit zur Frage nach Lesbarkeit und Zitierbarkeit: Wie können wir die infrastrukturellen, technologischen und politischen Bedingungen von Satellitendaten sichtbar und überprüfbar machen?

Ich bin Grafik- und Informationsdesigner mit Fokus auf forschungsbasierten visuellen Erzählungen. Dabei kombiniere ich datengestützte Recherche mit Design, um verborgene Geografien, Infrastrukturen und politische Zusammenhänge sichtbar zu machen – oft unter Einsatz von Satellitendaten und offenen
Daten (OSINT).

Nach meinem Studium des Kommunikations- und Informationsdesigns (B.A. und M.A.) und anschließenden Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HSRW konnte ich meine Schwerpunkte als Data Visualization Engineer bei Planet Labs (2022–2024) vertiefen. Dort trug ich zur Visualisierung und Kommunikation aktueller globaler Ereignisse durch Satellitendaten bei – etwa im Kontext internationaler Krisen wie in der Ukraine, in Gaza oder bei Naturkatastrophen – und unterstützte so die Berichterstattung weltweit tätiger Tageszeitungen. Seit 2025 bringe ich diese Erfahrungen als Geospatial Analyst im Datenjournalismus-Team der Deutschen Welle ein, wo ich Geodaten sowohl investigativ als auch narrativ nutze.

Parallel entwickle ich eigene Projekte an der Schnittstelle von Gestaltung und Forschung – etwa die Enzyklopädie für Satellitendaten Geospatial Narratives – und arbeite kollaborativ an freien Auftragsarbeiten. Als Mitglied der Medien-NGO Froh! engagiere ich mich zudem in gesellschaftlich-journalistischen Gestaltungsprozessen.