27.03.2026 –, HS3 (ZHG 009)
Unser Ansatz kombiniert OpenStreetMap, Echtzeitdaten aus Feldmissionen einer internationalen Hilfsorganisation, aktuelle Überflutungsdaten von GloFAS und zusätzliche Straßeninformationen aus ML-Methoden in Routinggraphen des Openrouteservice. So können Hilfsorganisationen ihre Mobilitätsanalysen in Krisensituationen nahezu in Echtzeit anpassen oder Szenarien simulieren, ohne Einbußen bei Performanz oder Skalierbarkeit. Alle Komponenten sind Open Source und Open Data.
In Katastrophen- und Krisensituationen ändern sich Rahmenbedingungen oft innerhalb von Stunden: Zerstörte Brücken, überflutete Straßen oder neue Sicherheitsrisiken beeinflussen unmittelbar die Effizienz und Sicherheit von Hilfseinsätzen. Herkömmliche Routingansätze, auch auf Basis regelmäßig aktualisierter OpenStreetMap-Daten, konnten bisher auf solche dynamischen Veränderungen nicht schnell genug reagieren. Wenn etwa über Nacht eine Brücke einstürzt oder eine zuvor sichere Route unpassierbar wird, fehlen oft Mechanismen, um aktuelle Informationen aus dem Feldeinsatz von Hilfsorganisationen und lokalen Gemeinschaften unmittelbar in die Routing- und Analyseentscheidung einfließen zu lassen.
Unser Ansatz schließt diese Lücke, indem er Echtzeitdaten aus Feldmissionen direkt in die Routinganalyse integriert. In Kooperation mit einer internationalen Hilfsorganisation wurde ein System entwickelt, das dessen Informationen zu priorisierten Routen und zur Passierbarkeit von Brücken, Straßen und Grenzübergängen und dem Einfluss von Überflutungen weltweit in nahezu Echtzeit verarbeitet. Diese Daten werden zunächst in eine zentrale Datenbank synchronisiert, mit den zugrundeliegenden Routinggraphen abgeglichen („Matching“) und die resultierenden Gewichtungen gespeichert. Laufende Openrouteservice-Instanzen greifen anschließend auf diese aktualisierten Gewichtungen zu und passen ihre Routenberechnung dynamisch an die aktuelle Lage an. Der Nutzer ist anschließend in der Lage, die neuen Missionsdaten nach eigenem Belieben zu gewichten. Und das alles ohne Einbußen bei Performanz oder Skalierbarkeit. Auch großflächige Graphen können effizient aktualisiert werden, sodass der Ansatz weltweit einsetzbar bleibt.
Als Datenquellen neben OpenStreetMap dienen derzeit Real-Time-Felddaten der Hilfsorganisation, aktuelle Überflutungsdaten von GloFAS und vom HeiGIT durch ML-Methoden generierte Zusatzinformationen zu Straßenbelag (paved/unpaved) und Straßenbreiten. GloFAS und die zusätzlichen Daten des HeiGIT sind Open Data, wohingegen Missionsdaten von Anwendern selbst eingepflegt werden müssen.
OpenStreetMap bildet den Kern unseres Systems. Durch regelmäßige Graph-Builds profitieren wir von den laufenden Verbesserungen und Rückmeldungen der OSM-Community, die Zugänglichkeiten, Barrieren und Straßeninformationen weltweit aktuell hält. Dennoch besteht zwischen zwei Graphen-Updates oft eine zeitliche Lücke, in der sich die Lage vor Ort bereits geändert haben kann. Unser Ansatz schließt genau diese Lücke, indem er aktuelle Missions- und Einsatzdaten in nahezu Echtzeit in bestehende Routinggraphen integriert, bevor sie in die OSM-Datenbasis einfließen oder ein neuer Graph generiert wird. Durch die Zusatzinformationen aus GloFAS und eigene Datensätze ermöglichen wir die Zusammenführung von Informationen aus nicht einfach kombinierbaren Basisdatensätzen.
Das Gesamtsystem ist modular aufgebaut: Openrouteservice als Kernkomponente wird durch offene Synchronisationsschnittstellen, flexible Datenpipelines und Detektionsmodule ergänzt. Die Architektur ist skalierbar und kann an unterschiedliche Einsatzszenarien und Datenquellen angepasst werden, von Hochwasser- und Hurrikan-Einsätzen bis zu Grenzregionen mit instabiler Infrastruktur.
Der Vortrag zeigt, wie offene Software, freie Daten und modulare Komponenten zusammenwirken, um Mobilitätsanalysen in Katastrophensituationen dynamischer, skalierbarer und resilienter zu gestalten. Das Ziel ist, die Erfahrungen aus dem Pilotbetrieb zu teilen und der OSM-Community sowie Forschung, Entwicklung und Praxis in der Katastrophenvorsorge neue Impulse zu geben, um kommenden Krisensituationen mit neuen Möglichkeiten zu begegnen.
Hi, ich bin Julian.
Derzeit bin ich Product-Strategy & Technology-Manager für Mobilitäts- und OSM-Themen am Heidelberger Institut für Geoinformationstechnologie (HeiGIT) und Mitglied der OSM-Community in Deutschland.
Mobilitätsforschung und -entwicklung für humanitäre Hilfe auf offenen Technologien und Open Data sind meine Leidenschaft. Zusammen mit einem großartigen Team habe ich auch das Privileg, das Openrouteservice-Ökosystem weiterzuentwickeln.