Winding Paths on Deep Maps
26.03.2026 , Bof3/Expert:innen (ZHG 006)

Deep Maps sollen ein Gegenentwurf zu als "autoritär" kritisierten thematischen Karten mit einem Einzelautor sein. Stattdessen können in Deep Maps verschiedene Perspektiven dargestellt werden, um diese Multiperspektivität zu Navigieren präsentiert das vorgestellte Projekt einen Ansatz eigene Pfade über diese Karten zu generieren und so Interaktion mit dem eigenen Pfad räumlich nahen Perspektiven anzuregen.


Motivation

Im Rahmen meiner Masterarbeit im Fach Computing in the Humanities an der Universität Bamberg habe ich mich mit der Umsetzung einer Deep Map zur Geschichtsvermittlung auseinandergesetzt. Durch meinen fachlichen Hintergrund in der Denkmalpflege interessierte mich speziell die Darstellung verschiedener Denkmalwerte, die mit einem Gebäude beziehungsweise Gebäudekomplex verknüpft sein können.

In digitalen Karten eröffnet die Möglichkeit verschiedene Themenlayer auf der gleichen Kartengrundlage ein- und auszublenden Spielräume für komplexe Themenvisualisierungen, die in Papierkarten nicht realisierbar sind. Dies inspiriert dazu das Konzept von Deep Maps, das ursprünglich in der Literatur Orte multiperspektiv darstellt, auf Kartendarstellungen anzuwenden[1]. Dabei kommt es in der Praxis zum Problem der visuellen Überfrachtung. Dieser Thematik stellt die vorliegende Arbeit, der Überlegung von [2] folgend, einen Ansatz dar, über thematische und individualisierbare Pfade auf der Karte Nutzer*innen an das Explorieren der Karte zu führen.

Beispiele für digitale Karten, die als Deep Maps gelten können, da sie entweder mehrere Perspektiven oder mehrere Informationslayer inklusive Unsicherheiten zulassen, sind unter anderen: (Mechthild’s Medieval Mystical Manuscripts Online)[https://www.helftamysticism.org/], das Projekt „1935 Harlem Riot Map“ nicht mehr online aber beschrieben in [2] und [3] sowie (Queering the Map)[ tps://www.queeringthemap.com/]

Dazu ging es in der Arbeit sowohl um die Datenaufbereitung als auch um die Verarbeitung in ein Format, das sowohl auf einer Karte darstellbar ist, als auch über einen Ranking-Algorithmus geordnet und an den Interessen der Nutzer*innen orientiert zu einer Scrollstory weiterverarbeitet werden kann.

Konzept / Status / Umsetzung

Die Webanwendung soll Nutzer*innen aufgrund eines Fragebogens eine individuelle Scrollstory über die digitale Karte anbieten, anhand derer sie die Deep Map entdecken können, indem sie ihrer Scroll-Story folgen, aber auch benachbarte Infopunkte anklicken und so Zusammenhänge und Widersprüche entdecken können.

Die Grundidee war, aus bestehenden Texten Absätze zu extrahieren und sie mithilfe semantischer Ähnlichkeiten Themen zuzuordnen, die als für die Case Study relevant identifiziert wurden. Außerdem sollten zeitliche Einordnungen, räumliche Verortung und Akteur*innen extrahiert werden, um die Textexcerpte auf dieser Basis sortieren zu können.
Dies wurde an einer lokalen Case Study über die ehemalige ErBa Spinnerei und ihren Einfluss auf die Stadgeschichte Bambergs demonstriert.

Die Textverarbeitung erfolgte in Python mit SpaCy. Die als Orte identifizierten Wörter wurden mit einer simplen GeoNames Abfrage georeferenziert. Entsprechend mussten die Orte manuell nachbearbeitet werden, wie auch andere strukturierte Daten kuratiert und zum Teil ergänzt werden mussten. Dabei wurde auch ein uncertainty Wert eingeführt, mit dem unterschieden wird, ob eine Verortung gewählt wurde, weil der Ort explizit im Text vorkommt oder ob es sich um eine mehr oder weniger gute Einschätzung der nachbearbeitenden Person handelt. Die Nachbearbeitung, speziell zur Verortung erfolgte in QGIS besonders hilfreich war hier die schnelle übersichtliche Darstellung über Label und automatischen Kategorisierungen. Zum Teil erfolgte die Nachbearbeitung aber auch direkt im GeoJSON, da der Import und Export der JSON Felder Probleme bereitete (Strings wo JSON sein sollte).

Auf den Textquellen basierend wurden einerseits Quizfragen erstellt, die das Vorwissen der Nutzer*innen ermitteln sollten (Ob zum Beispiel "Industrialisierung" erst erklärt werden muss). Andererseits wurden Interessensabfragen bereitgestellt, über die bestimmte Eigenschaften der Textexcerpte gefiltert werden. Zum Beispiel können Nutzer*innen angeben, ob sie besonders an persönlichen Schicksalen interessiert sind, was Textexcerpten mit Personennamensnennungen ein höheres Gewicht gibt.

Anhand der Antworten auf den Fragebogen wird dann eine Scrollstory mit mehreren Textexcerpten erstellt. Diese wird als Pfad auf der Karte dargestellt, wobei Punkte ohne Koordinaten auf der Linie zwischen dem letzten und nächsten verorteten Kartenpunkt dargestellt werden.

Der Pfad beginnt je nach dem eingangs gewähltem Themenfeld mit einem festen Punkt und Textabschnitt, der "These" und sollte mit einer "Synthese", basierend auf den durch den Fragebogen individualisierten Textexcerpten, den "Argumenten, enden. Dieser Mechanismus konnte auf Grund des redaktionellen Mehraufwandes im Rahmen der Arbeit nicht verwirklicht werden. Bereits die Tatsache, dass mit den direkten Textzitaten gearbeitet wurde, die in der Scrollstory zum Teil semantisch nicht gut korrespondieren, ist unbefriedigend. Um dem entgegenzuwirken wurde ein Mechanismus getestet, um beim Ranking zu berücksichtigen, welche Textexcerpte aufeinander aufbauen, also nicht ohne einander vorkommen sollten. Dieser Mechanismus spielt auch mit dem über das Quiz abgefragten Level an Vorwissen zusammen - bestimmte Textexcerpte sind nur für "Expert*innen" zu erreichen, um nicht zu verwirren.

In der Kartendarstellung wurde über Leaflet mit der OpenStreetMap als Basiskarte gearbeitet, auf der historische Karten georeferenziert sind. Außerdem sind relevante Gebäudeumrisse dargestellt. Diese wurden sofern noch vorhanden über OverPass extrahiert und andernfalls anhand der georeferenzierten Karten nachgezeichnet. Jedes Gebäudepolygon kann anhand eines Namens und einer ID zugeordnet werden. Erwähnungen der Gebäudenamen sind in den Textexcerpten entsprechen gehighlighted und ein Hover über den Namen löst einen Farbwechsel zum highlighten des Gebäudepolygons aus. Jedes so "entdeckte" Gebäude verändert daraufhin für den Rest der Session seine Farbe, um den Nutzer*innen einen Eindruck zu vermitteln, zu welchen Gebäuden sie schon Informationen gefunden haben.

Zusätzlich sind auch einige kuratierte Themenrundgänge hinterlegt, die Nutzer*innen freischalten, indem ihr persönlicher Pfad mit diesen überlappt. Aktuell bedeutet das noch, dass sie ein Textexcerpt in ihrer Story haben müssen, das auch in dem Themenpfad vorkommt, perspektivisch sollte das aber auch über Nähe zu einem Themenpfad möglich sein. Wenn z.B. im Umkreis von 100m eines Zwischenstopps des personalisierten Pfades also ein Zwischenstopp eines Themenpfades ist, soll auch dieser auf einem neuen Layer sichtbar werden.

Ausblick

Ein Prototyp dieser Anwendungsidee ist für die Masterarbeit erstellt und getestet worden, hat allerdings noch viel Verbesserungspotential, sowohl in der Funktionalität als auch in der Visualisierung. Gerade der redaktionelle Aufwand für die Erstellung der Textexcerpte und der strukturierten Daten war ernüchternd, stellt aber ein klassisches Anwendungsfeld großer Sprachmodelle dar, sodass hier Verbesserungen zu erwarten sind. Über diese könnte auch die Verbesserung hin zu einer überzeugenden "These", "Antithese", "Argumente", "Synthese" - Struktur gelingen. Allerdings stehen dem Gegenüber Copyrightaspekte. Für die Abschlussarbeit, die nicht zur Veröffentlichung gedacht war, wurde primär mit geschützten Texten gearbeitet (ohne LLM-Verarbeitung), interessant wäre die Übertragung auf freiverfügbare Quellen wie Wikipedia und lokale Wikis und Webseiten.

[1] DJ BODENHAMER et al. Deep Maps and Spatial Narratives. Bloomington, UNITED STATES: Indiana University Press, 2015. http: // ebookcentral. proquest.com /lib /ub-bamberg/detail.action?docID=4697517
[2] S Robertson and LA Mullen. Navigating through narrative. In: Making deep maps: foundations, approaches, and methods. Routledge spatial humanities series. Abingdon: Routledge, 2022, pp. 132–147
[3] S Robertson. Toward a Spatial Narrative of the 1935 Harlem Riot. Oct. 2016. https :// drstephenrobertson.com / presentation / toward-a-spatial-narrative-of-the-1935-harlem-riot / (visited on 06/18/2025)

Nach einem Bachelor in Architektur und einem Master in Denkmalpflege kam Anastasia Bauch während eines zweiten Masters in Computing in the Humanities über das UrbanMetaMapping Projekt mit der Digitalisierung historischer Karten in Kontakt und möchte historische Geodaten digital zugänglich machen, um daraus vernetzte Projekte (Deep Maps?) zu erstellen und der Frage nachzugehen, was eigentlich Deep Maps sind. Aktuell geht Anastasia im Projekt ProSaDi Provenienzketten und deren Unsicherheiten nach.