17.05.2025 –, Fab8.A 204
Sprache: Deutsch
«Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen am Himmel hell und klar», pflegten wir mit Matthias Claudius zu singen. Die verschiedenen Gestalten des Erdtrabanten haben den Menschen immer schon fasziniert, und bereits im alten Babylon kam man ihren Gesetzmässigkeiten auf die Spur: 19 Jahre entsprechen fast genau 235 synodischen Mondmonaten (von Neu- bis Neumond). Diesen sogenannten Meton-Zyklus lernen Astronomiestudierende noch heute kennen, und mit Open-Source-Werkzeugen lässt er sich interaktiv visualisieren - und am Ende wieder zurückführen in einen mechanischen, 3D-druckbaren Mondphasenrechner.
Die Frage, wann genau Neu- oder Vollmond ist, ist nicht einfach zu beantworten. Denn das Sonnenjahr mit seinen 365.242 Tagen lässt sich rechnerisch mit den Mondphasen mit ihrer Länge von 29.53 Tagen nur schwer in Beziehung setzen. Im 8. Jahrhundert v. Chr. erkannten babylonische Astronomen, dass der Mond alle 19 Jahre am selben Tag dieselbe Gestalt zeigt: Der erste Neumond dieses Jahres war am 29. Januar, genauso wie vor 19 Jahren, am 29. Januar 2006.
Dieser 19-Jahres-Zyklus wird heute «Meton-Zyklus» genannt, nach Meton von Athen, einem Astronomen und Mathematiker des 5. Jahrhunderts v. Chr. Über Meton selbst ist wenig bekannt, ausser dass er sich, wie alle Wissenschaftler seiner Zeit, intensiv mit dem Mond befasste. Das tun wir auch heute noch, dann etwa, wenn es um Ostern geht. Ostern ist ein «bewegliches» Fest, was bedeutet, dass das Kalenderdatum von Jahr zu Jahr variiert. Bestimmt wird das Osterdatum von Frühlingsanfang und Mondphase. Etwas vereinfacht lautet die Regel: Ostersonntag ist der Sonntag nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsanfang (laut Kirchenregel stets am 21. März). Fällt dieser Vollmond selbst auf einen Sonntag, ist Ostern eine Woche später.
Trotz der eingängigen Regel (235 Mondmonate ≈ 19 Jahre) bleibt der in allen vorgeschichtlichen Kulturen eminent wichtige Meton-Zyklus abstrakt. Mit Open-Source-Software (Inkscape) und mit offenen Webtechnologien (HTML, CSS, Javascript) aber lässt er sich, in digitaler Form und als Webapp, visualisieren und interaktiv machen, wie mein Projekt "Meton" https://www.thomasweibel.ch/meton/ zeigt: 235/19 ist gleich 47/14 * 70/19, und ein Getriebe mit dieser Verzahnung ist vergleichsweise einfach herzustellen. Zur Darstellung der Mondphase dient das Beispiel von Armbanduhren, bei denen der Mond von einer Maske so verdeckt wird, dass er stets die aktuelle Phase anzeigt. Buttons erlauben das Berechnen von Neu- oder Vollmond, sowohl in der Zukunft als auch in der Vergangenheit. Mit dem Mondphasenrechner «Meton» lässt sich auch das Datum des diesjährigen Osterfests bestimmen: Der erste Vollmond nach Frühlingsanfang ist am Sonntag, 13. April. Und so fällt Ostern 2025 laut der alten Osterregel auf den darauffolgenden Sonntag, 20. April.
Und am Ende lässt sich dieser Digitalisierungsprozess auch wieder umkehren. Mittels Open-Source-CAD-Programmen wie FreeCAD lässt sich der Mechanismus schliesslich als physisches Objekt erstellen, als mechanischen Mondphasenrechner, der auf der Astronomie des alten Babylon beruht und der noch in Jahrzehnten die Voll- und Neumonde auf den Tag genau vorhersagen kann. Keine Frage, dass auch die Bauanleitung für diesen Mondrechner als Open Data zur Verfügung gestellt wird.
- open manufacturing, making and open hardware
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Thomas Weibel ist freier Journalist und Professor für Media Engineering. Nach einem Germanistik- und Anglistikstudium an der Universität Bern und nach journalistischen Lehr- und Wanderjahren am «Thuner Tagblatt» und am Berner «Bund» war er Mitglied der Programmleitung von Radio SRF 2 Kultur, wo er crossmediale Formate entwickelte.
Als selbständiger Multimediaproduzent lehrt Thomas Weibel heute multimediales Erzählen und konvergente Medienproduktion an der Fachhochschule Graubünden sowie an der Hochschule der Künste Bern.