Praxisbericht „Unlock Europe“ – Serious Gaming in der Friedenspädagogik
06.10.2023 , Ostasien

„Unlock Europe – Das Escape Game zu Frieden und Sicherheit in Europa“ verknüpft Rätselspaß mit der Vermittlung von Themenwissen und Praxiskompetenzen für ein demokratisches Miteinander. Das Projekt wird von der BKHS und dem IFSH als innovatives Format der Jugendbildung und Friedenspädagogik seit April 2023 im Metropolraum Hamburg umgesetzt. Es soll als Praxisbeispiel vorgestellt werden, um davon ausgehend Potentiale und Herausforderungen von Serious Games in der Friedenspädagogik zu diskutieren.


Projekthintergrund und Relevanz

Jugendliche empfinden die politischen Bildungsangebote an Schulen selbst oft nicht als jugendgerecht. In von uns durchgeführten Fokusgruppendiskussionen haben sich Schüler*innen Escape Games als Format in der politischen Bildung gewünscht. Die Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung (BKHS) und das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) haben daher gemeinsam das mobile Serious Game „Unlock Europe – Das Escape Game für Frieden und Sicherheit in Europa“ entwickelt, das Jugendliche spielerisch mit der friedens- und sicherheitspolitischen Bedeutung der Europäischen Union (EU) vertraut macht.

Wie gelingt der Zusammenhalt zwischen den EU-Mitgliedern? Wer darf in Europa Frieden und Sicherheit erleben – und wer nicht? Wie kann die EU künftige Herausforderungen für Frieden und Sicherheit in einer zunehmend globalisierten und polarisierten Welt gestalten? Diese Fragen sind besonders für die Zukunft junger Menschen relevant und verlangen deren aktive Beteiligung. Es ist kein Zufall, dass Zukunftsängste und fehlendes Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Politik besonders unter jungen Menschen ausgeprägt sind. Gerade sie finden in europäischen Zukunftsfragen selten Gehör und haben selbst oft den Eindruck, nicht genug über die EU zu wissen, um an Debatten teilzunehmen.

Inhaltlicher und didaktischer Fokus von „Unlock Europe“

Das Spiel ist ein politisches Bildungsangebot für die junge Zielgruppe, das Wissens- und Kompetenzerwerb mit Spielspaß verbindet: Denn Escape Games erfordern nicht nur die geschickte Nutzung von Wissen, sondern fördern zugleich Kooperation und Dialog der Spielenden und vermitteln auf diesem Weg wichtige Konfliktbearbeitungskompetenzen. Das Spiel verbindet damit die Vermittlung zentraler demokratischer Grundwerte mit einem innovativen Format der politischen Bildung und Friedenspädagogik. Es wurde im April 2023 als kostenfreies Angebot für die politische Jugendbildung veröffentlicht und wird seitdem regelmäßig in der Metropolregion Hamburg durchgeführt.

In rund einer Stunde lösen und reflektieren die Spielenden verschiedene Aufgaben. Dabei lernen sie spielerisch die EU als Friedensprojekt, Wertegemeinschaft und Sicherheitsgarantin kennen. Sie erleben zum einen, wie vielschichtig die Arbeit und Bedeutung der europäischen Staatengemeinschaft ist und für welche Werte und Überzeugungen sie steht. Zum anderen erfahren sie, dass Frieden mehr ist als die Abwesenheit von Krieg, dass Sicherheit nicht nur militärisch gestaltet wird, sondern auch wirtschaftlicher Wohlstand, die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern, medizinische Hilfe und eine lebenswerte Umwelt dazu gehören. Und sie lernen, wie wichtig es ist, auch bei gegenteiligen Interessen konstruktiv zusammen zu arbeiten, nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen und Kompromisse auszuhandeln.

Die Methode Escape Game funktioniert dabei wie ein Türöffner. Die gemeinsame Spielerfahrung und die kennengelernten Herausforderungen zur Gestaltung von Frieden und Sicherheit dienen als Ausgangslage und Motivation, um sich im Anschluss mit bestimmten Themen weiter zu beschäftigen. Nach jedem Spieldurchgang schließt eine Reflexion und inhaltliche Vertiefung an.

Diskussion

„Unlock Europe“ wird hinsichtlich seiner Funktionalität als Serious Game in der politischen Bildung von den herausgebenden Institutionen ausgewertet. Gleichzeitig soll die Wirkung des Spiels auf das Verständnis von Frieden und Sicherheit bei jungen Menschen dokumentiert und untersucht werden. Dies umfasst unter anderem Fragen danach, ob die Spielenden einen direkten Bezug zwischen den Themen im Spiel und ihrem eigenen Alltag herstellen können, welche (weiteren) Perspektiven für sie wichtig sind und was sie persönlich zur aktiven Gestaltung eines friedlichen und sicheren Miteinanders beitragen können.

Im Rahmen des W&F Symposiums soll „Unlock Europe“ als gelungenes Praxisbeispiel vorgestellt werden. Das Projekt leistet einen Beitrag zu aktuellen Debatten über innovative Vermittlungsformate in der Friedenspädagogik und dokumentiert gleichzeitig einen kollaborativen Entwicklungsprozess für die Umsetzung eines Serious Games.

Alisa Rieth ist bei der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung als Projektmanagerin von „Unlock Europe“ tätig. Sie hat Politikwissenschaften sowie Internationale Studien und Friedens- und Konfliktforschung in Marburg, Den Haag und Frankfurt am Main studiert.

Merle Strunk ist Historikerin mit dem Schwerpunkt der Wissensvermittlung in Museen. Sie ist Referentin für Bildung und Vermittlung in der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung.