07.10.2023 –, Raum 501
Im Workshop erstellen wir Konflikt-Mappings basierend auf eigenen Erfahrungen von gesellschaftlichen Spaltungsdynamiken. Wir erproben, wie sich dabei die eigene Person, ihre diversen Beziehungen, ganzheitliches Erfahrungswissen ebenso wie Machtstrukturen reflektieren lassen. Indem wir unsere Erfahrungen zusammentragen, suchen wir nach Spannungsfeldern für Friedensforschung und (pädagogische) Praxis und gewinnen Orientierung für transformative Schritte.
Viele Menschen erleben polarisierende Konflikte in ihrem Umfeld: In ihnen werden sachliche Themen, wie solche zur Gesundheits- oder Migrationspolitik, zu Grundsatzfragen über Werte des Zusammenlebens und Interpretationen von Demokratie, sodass Kompromisse schwierig werden und Emotionen schnell überkochen. Während Konflikte – insofern sie konstruktiv bearbeitet werden - generell den sozialen Zusammenhalt stärken, scheint hier eine differenzierte Debatte, Dialog oder Konfliktbearbeitung herausfordernd. Persönliche, relationale, strukturelle und kulturelle Faktoren begünstigen diese Prozesse: nicht aufgearbeitete (transgenerationale) Traumata, medialen und räumlichen Echokammern, wachsende gesellschaftliche Ungleichheit, ebenso wie Diskurse gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, um nur einige zu nennen.
Auch wird besonders deutlich, dass Friedenspädagogik (ebenso wie Friedensforschung) in diese Prozesse verwoben ist. Zum Beispiel wird sie als 'links-grüne Propaganda' diffamiert oder es wird ihr 'blinder Pazifismus' vorgeworfen, der strukturelle und kulturelle Gewalt verdeckt. Oftmals ist der jeweilige Vorwurf abhängig davon, ob die strukturelle Dimension (z.B. Diskriminierung) oder die persönliche/relationale Dimension (z.B. Kommunikationsmethoden) ins Zentrum gerückt wird. Ein wiederkehrender Wunsch in Workshops ist es Verbindungen aufrecht zu erhalten UND konfliktive Themen anzusprechen. So scheint die Frage 'was (friedenspädagogisch) nun zu tun ist' selbst polarisierend: klare Kante oder Brücken bauen?
Diese Situation möchte ich als Brennglas verstehen, in der sich einige grundlegende theoretische Krisen der Friedenspädagogik zeigen: Nationalismus (welche Entitäten (z.B. Staat, Planet/Land, Beziehungen) werden (nicht) betrachtet?), Kolonialismus (welche Stimmen werden (nicht) gehört?) und Rationalismus (welche Formen von Wissen werden als relevant verstanden?). Welche theoretischen und methodischen Ansätze können uns helfen Dualismen zu differenzieren, Ambiguität und Verletzlichkeit zuzulassen, Privilegien anzuerkennen, Solidarität zu stärken und Raum für bisher überhörte Vorstellungen von Frieden und Demokratie zu öffnen?
Der Workshop gehen wir diesen Fragen explorativ und erfahrungsbasiert nach. Wir kombinieren unterschiedliche Konflikt-Mapping-Ansätze und differenzieren so unseren Blick auf polarisierenden Konflikten um Demokratie. Dabei nutzen wir unsere subjektive Perspektive im eigenen Konfliktkontext als Ausgangspunkt. Einerseits fokussieren wir auf Beziehungen und ganzheitliches Erfahrungswissen mit Elementen des Elicitive Conflict Mappings. Andererseits arbeiten wir (selbst-)reflektierend mit macht-kritischen Ansätzen aus einer intersektionalen Perspektive. Wir erproben, ob und wie durch die Kombination dieser Perspektiven Spannungsfelder im Umgang mit polarisierenden Konflikten – zwischen Abgrenzung und Dialog – erfahr- und bearbeitbar werden.
Wie können diese (und weitere) Perspektiven mit Blick auf polarisierende Konflikte um Demokratie transformative Lernräume öffnen? Die Möglichkeiten und Grenzen der erlebten Ansätze werden zum Abschluss reflektiert.
Vorab-Hinweis: Da der Workshop Themen meines Promotionsprojekts aufgreift, werde ich in der Gruppe fragen, ob ich die erstellten Materialien (z.B. Karten-Clustern) für die Datenauswertung nutzen darf.
Annalena Groppe ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedensakademie Rheinland-Pfalz an der RPTU Kaiserlautern-Landau im Forschungsschwerpunkt Friedenspädagogik.