Konfliktsensitiver Journalismus: Wissenstransfer für Berichterstattung über Debatten und Konflikte
06.10.2023 , Ostasien

Konfliktsensitiver Journalismus (KSJ) ist in Deutschland kaum bekannt. Im Mittelpunkt der KSJ-Seminare am Dortmunder Institut für Journalistik stehen wissenschaftliche Erkenntnisse, die eine verantwortungsvolle Berichterstattung über Debatten und Konflikte in deutschen Medien fördern. Diesen interdisziplinären Ansatz möchte ich vorstellen, Herausforderungen aufzeigen und fragen, wie Ergebnisse der Friedens- und Konfliktforschung schneller für den Journalismus nutzbar gemacht werden könnten.


Seit 2018 entwickle ich am Institut für Journalistik der TU Dortmund einen Lehr- und Trainingsansatz für Konfliktsensitive Berichterstattung für deutschsprachige Journalist:innen. Vor dem Hintergrund der Sorgen um die demokratische Streitkultur und eine Radikalisierung des öffentlichen Diskurses geht es in meinen Seminaren und Workshops darum, Medienschaffende für die Bedeutung einer qualitativ hochwertigen Berichterstattung über soziale Konflikte (mein Schwerpunkt) und Kriege zu sensibilisieren und sie mit zusätzlichem Wissen sowie Impulsen für Selbstreflexion zu unterstützen. Im Mittelpunkt stehen Forschungsergebnisse aus der Friedens- und Konfliktforschung (aufbauend auf den Arbeiten Johan Galtungs und Wilhelm Kempfs), aus der Sozialpsychologie (u.a. Reflexion der eigenen Subjektivität) sowie wissenschaftliche Erkenntnisse über Wirkung und Macht von Sprache und Bildern. Ich verstehe mich als Schnittstelle und Vermittlerin, die den Transfer relevanter sozialwissenschaftlicher Forschungsergebnisse in die praktische Medienarbeit beschleunigen möchte. Mein Ansatz ist offen und interdisziplinär: Der „Werkzeugkoffer“ für Konfliktsensitiven Journalismus soll mittels Input und Feedback aus der Wissenschaft und aus dem Journalismus stetig angereichert und weiterentwickelt werden.
Friedensjournalismus bzw. Konfliktsensitiver Journalismus wird über Projekte der Medienentwicklungs-Zusammenarbeit zum Beispiel von der Deutsche Welle Akademie im Ausland gefördert. Für deutschsprachige Journalist:innen gibt es bisher nur sehr wenige Trainingsangebote, die sich auf die Berichterstattung über Debatten, soziale Konflikte und Kriege in den einheimischen Medien beziehen. Meine Erfahrungen aus der Lehre am Dortmunder Institut für Journalistik sowie bei ersten Workshops für den Hessischen Rundfunk und den Norddeutschen Rundfunk zeigen, dass vor allem junge Journalist:innen die Dringlichkeit dieses Themas erkennen, sich mit ihrer Verantwortung auseinandersetzen möchten und entsprechende Trainingsangebote gerne annehmen. Allerdings gibt es auch Journalist:innen, die Weiterbildung zum Thema Konflikte für überflüssig halten und argumentieren, dass die journalistischen Qualitätskriterien für eine gute Berichterstattung über Debatten und soziale Konflikte (und Kriege) reichen sollten.
Als weitere Herausforderung möchte ich eine Beobachtung thematisieren und zur Diskussion stellen, die Sozialwissenschaften generell und sogar die Journalistik betrifft: Es fehlen kontinuierliche Verbindungen und Einrichtungen, die eine schnelle Nutzbarmachung von Forschungsergebnissen für die journalistische Praxis fördern. Dies mag zum einen daran liegen, dass Journalist:innen dies nicht einfordern (siehe oben). Zum anderen sind solche Verbindungen im Rahmen der aktuellen Forschungslogiken und -Förderung womöglich schwer zu etablieren. Welche Möglichkeiten sehen Symposiums-Teilnehmerinnen, einen interaktiven Transfer zwischen Friedens- und Konfliktforschung und Medien zu fördern? Ich hoffe auf eine lebendige Diskussion im Anschluss an meinen Vortrag.

Journalistin und seit 2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Journalistik der TU Dortmund (Teilzeit). Nach dem Studium der Politikwissenschaft Volontariat bei der Frankfurter Rundschau, dann FR-Korrespondentin für Mexiko, Mittelamerika und die Karibik. Anschließend Hörfunk-Redakteurin bei der BBC in London. Fortbildungen zur Systemischen Beraterin (DGSF-Zertifikat) und Friedens- und Konfliktberaterin (Akademie für Konflikttransformation).