Frieden und Konflikt in der digitalen Ära
07.10, 12:30–13:00 (Europe/Berlin), Ostasien

Dieser Vortrag führt zunächst in die digitale Welt ein und diskutiert, wie sich das Konzept der Gewalt
konzeptionell in der digitalen Ära verändert hat und welche Konsequenzen das für die Erforschung
haben könnte. Weiter zeigt der Vortrag auf, wie Konflikt und Gewalt in ihrer Entstehung und
Dynamiken durch ihre digitale Einbettung verändert werden, bevor diskutiert wird, welche Chancen
sich hiermit auch für die Prävention und Aufarbeitung ergeben.


Digitale Technologien, insbesondere soziale Medien und Cyber‐Fähigkeiten, haben soziale
Beziehungen, gesellschaftliche Strukturen und politische Dynamiken grundlegend verändert.
Menschen kommunizieren, diskutieren, argumentieren und interagieren in diesem digitalen Zeitalter
mit anderen auf der ganzen Welt. Globalisierte Netzwerke aus bekannten Offline‐Kontakten und
neuen digitalen Kontakten entstehen und zunehmend überlappen sich online/digitale und
offline/physische Räume, sodass hybride Räume entstehen, in denen soziale Realitäten kommunikativ
konstruiert und soziale Identitäten geschaffen werden. Hiermit haben sich auch Dynamiken in
Bedingungen für und Konsequenzen von Frieden und Konflikt grundlegend verschoben und eine Reihe
ganz neue Herausforderungen, aber auch Chancen ergeben.
Diesen neuen Gegebenheiten stellen sich neue Ansätze der Friedens‐ und Konfliktforschung und
analysieren zunehmend digitale Gewalt, d.h. „die Verwendung von Worten, Bildern, Computercode
oder Anweisungen innerhalb eines digitalen Raums, um Individuen oder Gruppen psychischen oder
physischen Schaden zuzufügen." 1 Hierbei kristallisieren sich zwei Schwerpunkte in der Forschung zu
digitaler Gewalt heraus: 1. Online‐Praktiken zur Organisation und Vorbereitung physischer Gewalt
durch Mobilisierung, Legitimation und Motivation und 2. digitale Gewalt als diskursive Formationen,
die sich in diskriminierenden Diskursen, Desinformation und Hassreden manifestieren. Große Social‐
Media‐Plattformen und Messaging‐Diensten spielen eine wichtige Rolle, ebenso wie die vielen
Nischenplattformen für spezialisierte Gruppen wie 8kun, 4chan oder Reddit, wo rechtsradikale
Gedanken und Verschwörungsmythen verbreitet werden. Maßgeblich hängt die Kommunikation von
der Architektur der Plattformen und der Struktur der Algorithmen ab, "Filterblasen" und
"Echokammer" können entstehen, bei denen bestimmte Gruppen einen unterschiedlichen Zugang zu
Informationen und Nachrichten, einschließlich Fehlinformationen und Fake News, erhalten, wodurch
bereits bestehende politische Einstellungen verstärkt und die Polarisierung gefördert werden.
Dieser Vortrag führt zunächst in die digitale Welt ein und diskutiert, wie sich das Konzept der Gewalt
konzeptionell in der digitalen Ära verändert hat und welche Konsequenzen das für die Erforschung
haben könnte. Weiter zeigt der Vortrag auf, wie Konflikt und Gewalt in ihrer Entstehung und
Dynamiken durch ihre digitale Einbettung verändert werden, bevor diskutiert wird, welche Chancen
sich hiermit auch für die Prävention und Aufarbeitung ergeben.

1 Kilger M (2016). Interventions, Policies, and Future Research Directions in Cybercrime. In: Cuevas CA und Rennison CM (eds). The Wiley Handbook on the Psychology of Violence. Chichester: Wiley, 604–622: 606, eigene Übersetzung.

Prof. Dr. Timothy Williams hat eine Juniorprofessur für Unsicherheitsforschung und gesellschaftliche
Ordnungsbildung in der Fakultät für Staats und Sozialwissenschaften der Universität der Bundeswehr München.