Grenzwanderung – Stay-at-Home Fathers als Blick an die Grenze und Erfindung des Möglichen
22.09, 09:30–10:15 (Europe/Berlin), GD 03/150

Ausgehend von Michel Foucaults Grenzhaltung wird der Frage nachgegangen, wie Caring Masculinities als kritische Kategorie betrachtet werden kann, die mögliche Transformationspotentiale innerhalb moderner Gesellschaften bietet. Verdeutlicht wird dieser Zusammenhang an empirischen Ergebnissen zu Stay-at-Home Dads, wie sie vor allem im nordamerikanischen Raum erforscht werden.


In gegenwärtigen geschlechter- und männlichkeitssoziologischen Debatten wird vermehrt der Begriff der Caring Masculinities aufgegriffen, dessen Besonderheit in den transformativen Potentialen für geltende Männlichkeitskonstruktionen liegt. Neben dem möglichen Wandel von Männlichkeit, verweisen jüngst Andreas Heilmann und Sylka Scholz (2017) auf die gesamtgesellschaftlichen Transformationspotentiale, die sich mit einer Abkehr der auf Wachstum, Leistung und Erwerbsarbeit zentrierten Männlichkeitssubjektivität einstellen könnten. Offen bleibt in den Debatten um Care und Männlichkeit, wie die postulierte Transformation stattfinden soll und welche Prozesse dafür relevant sind.

Der folgende Beitrag beschäftigt sich deshalb dezidiert mit der Frage des ‚Wie‘ der Transformation und schließt an die subjekttheoretischen Prämissen, wie sie bereits Scholz und Heilmann angedeutet haben, an. Auf theoretischer Ebene soll zunächst kurz erläutert werden, wie ein subversives Moment innerhalb der geltenden Subjektkonstitution denkbar wird. Ermöglicht wird dies über den von Michel Foucault (1990) identifizierten Ethos der Moderne, den er im spezifischen als „Grenzhaltung“ beschreibt. Transformation, so Foucault, ermögliche sich über die historische Analyse der geltenden Subjektkonstitution. Indem im Moment der Selbstreflexion die Grenze der eigenen Subjektivität erfahrbar werde, könne diese zum Aushandlungspunkt neuer Formen von Subjektivität gemacht werden.

Wie auf praktischer Ebene die Einnahme einer solchen Grenzhaltung aussehen könnte, lässt sich meines Erachtens anhand der alltagsweltlichen Erfahrungen von Stay-at-Home Fathers zeigen, wie sie mithilfe einschlägiger Studien seit den späten 2000er Jahren vor allem im nordamerikanischen Raum erforscht werden. Sie können als Blick an die Grenze männlicher Subjektivität identifiziert werden, da sie die enge Verknüpfung von Erwerbsarbeit und Männlichkeit, aber auch von Sorge und Weiblichkeit vehement hinterfragen und neue Spielräume von Männlichkeit erfinden, die durchaus weitreichendere gesellschaftliche Implikationen haben. Dabei geht es nicht darum Männlichkeit eine privilegierte Stellung in der Frage zur gesellschaftlichen Transformation zu gewähren, sondern den soziologischen Blick für die Grenzen gesellschaftlicher Lebensweisen und Subjektkonstitutionen zu sensibilisieren, von denen Stay-at-Home Fathers nur einen Teil darstellen.

Literatur

  • Heilmann, A. und Scholz, S. (2017): Caring Masculinities – gesellschaftliche Transformationspotentiale fürsorglicher Männlichkeiten? in: Feministische Studien 2/17, S. 349-357.
  • Foucault, M. (1990): Was ist Aufklärung? in: Erdmann, E., Forst, R., Honneth, A. (Hg.): Ethos der Moderne. Foucaults Kritik der Aufklärung. Frankfurt a. M./ New York: Campus Verlag, S. 35-55.