»Grenze« als Grundbegriff der Soziologie?
21.09, 17:15–18:00 (Europe/Berlin), GD 04/520

Wenn es um öffentliche oder politische Diskurse um Grenzen geht, dann denkt man wohl in erster Linie an Staatsgrenzen. Doch was könnte "Grenze" als soziologischer Grundbegriff leisten? Dafür werden zwei Autoren der Grenze diskutiert: Luhmann und dessen Sinngrenze zwischen System und Umwelt und Latours Verabschiedung der Innen/Außen Grenzziehung zwischen Labor und Gesellschaft.


In meinem Vortrag möchte ich mich auf die Diskussion zweier Positionen beschränken. Einerseits einen Verfechter des Grenzbegriffs, Niklas Luhmann (1984). Andererseits Bruno Latours (1983) Verabschiedung der Innen/Außen–Grenze in seinem Aufsatz »Gebt mir ein Laboratorium und ich werde die Welt aus den Angeln heben«.

Luhmann hat stets auf die Notwendigkeit der Grenzzieung im Sozialen hingewiesen. Für ihn wird in dem Moment, in dem gewirtschaftet, protestiert, gefunkt, gedruckt, geredet wird, eine Grenze gezogen zwischen einem Innen und einem Außen, zwischen System und Umwelt. Es gibt keine Kommunikationsform, für die das nicht gilt.

Auf der anderen Seite des Spektrums finden sich Ansätze, die das Überschreiten oder die Aufhebung der Grenze denken. So spricht z.B. Latour (1983: 105), auf dessen Aufsatz ich meinen Vortrag begrenzen möchte, von der Aufhebung der Innen/Außen Grenze: “Ich hoffe, den Leser davon zu überzeugen, dass Laboratorien genau deswegen gebaut worden sind, um den wirklichen Unterschied zwischen dem »Innerhalb« und dem »Außerhalb« […] zu destabilisieren oder aufzuheben”. Dies scheint nahezu unverblühmt an einen Denker wie Luhmann gerichtet zu sein. Die Frage, um die es mir also geht, besteht darin, ob der Grenzbegriff eine Notwendigkeit soziologischen Denkens ist oder nicht. Ich werde den Begriff der Grenze verteidigen, indem ich mit den Mitteln Luhmanns nachweisen werde, dass auch in Latours Verabschiedung der Innen/Außen Grenze eine weitere Grenzziehung vorgenommen wird und dass ohne diese Grenzziehung nicht gegen die Innen/Außen Grenze argumentiert werden könnte. Latour selbst benötigt also eine Grenze, um gegen die Grenze argumentieren zu können.

Literatur

  • Latour, Bruno (1983 [2006]): Gebt mir ein Laboratorium und ich werde die Welt aus den Angeln heben. In: Belliger, A. & Krieger, D. J. (Eds.). ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld: transcript, S. 103-134.
  • Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systeme: Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Studierte Soziologie und Philosophie im Bachelor an der LMU München und nun Soziologie im Master an der Goethe-Universität Frankfurt mit Schwerpunkten in Wissenschaftssoziologie und Erkenntnistheorie. Versucht zur Zeit eine Position ausfindig zu machen, die weder Szientismus, noch krudem Relativismus das Wort redet, um somit mehr über die Bedeutsamkeit und auch Ohnmacht moderner Wissenschaft zu erfahren.