Architektonische Rekonstruktionen als Medium der Rechten
20.09, 10:15–11:00 (Europe/Berlin), GD 04/620

Die Zahl der architektonischen Rekonstruktionen steigt in Deutschland stetig an. Dabei ist auffällig, wie sehr sich rechte Gruppierungen für diese einsetzen und wie rechte Themen in der medialen Debatte um Rekonstruktionen besondere Aufmerksamkeit erfahren. Dies wird an zwei aktuellen Rekonstruktionsprojekten dargestellt.


Für Deutschland, aber auch für andere europäische Länder wird seit einigen Jahren eine Rekonstruktionswelle diagnostiziert. Dass verlorene Bauwerke nach Bild-, Schrift- und Sachquellen als Rekonstruktionen aufgebaut werden, wird oftmals mit subjektiv empfundenen Ästhetikansprüchen begründet. Auffällig ist dabei, wie sehr sich rechte Akteure für den Aufbau verlorener Originale stark machen – und dabei geschickt ihre Anliegen um Nationalstolz, nationale Identität sowie um eine geschichtspolitische Umdeutung vermitteln.

Werden Rekonstruktionen vorrangig für Kommerzialisierung und Disneyfizierung des öffentlichen Raums kritisiert, ist die Untersuchung, wie diese von rechten Akteuren genutzt werden, noch unzureichend. Typisch rechte Themen sind nicht nur Migration und völkische Familienpolitik. Auch Themen des Städtebaus können von Rechts direkt oder latent genutzt werden, um mit ihnen politische Anliegen zu transportieren oder mit dem Aufbau verlorener Bauten symbolische, materialisierte, Politik zu demonstrieren.

In diesem Vortrag sollen die scheinbar genauen Grenzen zwischen architektonischen Rekonstruktionen auf der einen Seite und rechter Politik auf der scheinbar weit entfernten anderen aufgebrochen und diese beiden Themen verbunden werden. Nach einer kurzen Einführung zur spürbaren „Rekonstruktionseuphorie“ in Deutschland sowie einem theoretischen Zugang zu Raum und kollektiver Identität, Architektur und Erinnerung sowie symbolischer Politik werden zwei ausgewählte Rekonstruktionsprojekte vorgestellt, bei denen die Verbindung zu rechten Politiken ersichtlich ist.

Die Rekonstruktion des Dom–Römer Areals in Frankfurt (Main) geht auf eine parlamentarische Initiative der rechtspopulistischen Partei Bürger für Frankfurt (BFF) in Zusammenarbeit mit dem völkischen Architekturtheoretiker Claus Wolfschlag zurück. Und bei Betrachtung der medialen Berichterstattung zur Rekonstruktion der Garnisonkirche in Potsdam in einer ausgewählten Lokalzeitung zeigt sich, dass rechte Narrative wiederholt bedient werden. Damit erhalten gängige Themen der Rechten, wie etwa die „Abkehr vom Schuldkult“ und Nationalstolz verstärkte mediale Präsenz.

Die vermeintlich klaren Grenzen zwischen ästhetischer, gebauter Umwelt in Form von Rekonstruktionen und rechtspopulistischer Politik sowie zentralen rechten Themen sind folglich weniger deutlich als angenommen. Die rekonstruierte gebaute Umwelt ist politisch. Für die beiden Beispiele zeigt sich: Rekonstruktionen können durchaus als Medien der Rechte genutzt werden – um passende politische Anliegen in der medialen Debatte zu verbreiten oder um eine erfolgreiche, symbolische Politik materialisiert zu vermitteln.

Nach meinem Bachelorabschluss in Soziologie und Politikwissenschaft studiere ich seit 2017 den Masterstudiengang Stadt- und Regionalentwicklung an der Uni Bremen. Mein Interesse an der Verflechtung rechter Politik mit scheinbar weit entfernten Politik- und Themenfeldern hat auch nach meiner Bachelorarbeit zu Femonationalismus in der AfD nicht nachgelassen: In meiner Masterarbeit, die ich gerade schreibe, beschäftige ich mich mit rechten Argumentationsmuster in der lokalen Berichterstattung zur Rekonstruktion der Garnisonkirche in Potsdam, was auch zentraler Gegenstand meines Vortrags ist.